Bahn­hofs­buch­han­del in der Corona-Krise: Unver­hält­nis­mä­ßige Mie­ten gefähr­den die Zukunft der Bran­che und ihrer Partner

18. November 2020 | Pressemeldungen

Düs­sel­dorf, den 18.11.2020. Die Fol­gen der Corona-Pan­de­mie – feh­lende Kun­den und ein­bre­chende Umsätze – bedro­hen die Zukunft des Bahn­hofs­buch­han­dels und damit die Pres­se­viel­falt in Deutsch­land. Der Ver­band Deut­scher Bahnhofs­buchhändler warnt: Ohne eine sofor­tige Anpas­sung der Miet­mo­da­li­tä­ten, und damit eine wirt­schaft­lich trag­fä­hige Per­spek­tive, sind kurz­fris­tige und dau­er­hafte Schlie­ßun­gen von Filia­len unver­meid­lich und die Exis­tenz gan­zer Unter­neh­men gefährdet.

Als Garan­ten von Pres­se­viel­falt und einer freien Mei­nungs­bil­dung haben sich Bahn­hofs- und Flug­ha­fen­buch­hand­lun­gen eine Son­der­stel­lung im Pres­se­ver­trieb erar­bei­tet, die auch vom Geset­ze­ber aner­kannt wird. Selbst wäh­rend des ers­ten Lock­downs im Früh­jahr 2020 durf­ten die Presse- und Buch­spe­zia­lis­ten wei­ter für ihre Kun­den da sein. Ob die Bran­che auch im Früh­jahr 2021 noch zur unein­ge­schränk­ten Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung mit Pres­se­pro­duk­ten bei­tra­gen kann, ist offen. Denn die Mie­ten des Bahn­hofs­buch­han­dels ste­hen heute in kei­nem Ver­hält­nis mehr zum Ertrag der Geschäfte. Um die not­wen­dige Liqui­di­tät zu sichern, haben der Bran­che in den ver­gan­ge­nen Mona­ten nur tem­po­räre Zuge­ständ­nisse der Ver­mie­ter und neue Kre­dite geholfen.

Sys­tem­re­le­vant für die Lesekultur

Ohne kurz­fris­tige und dau­er­hafte Lösun­gen ist die Zukunft des Bahn­hofs­buch­han­dels mas­siv bedroht und mit ihm auch die wirt­schaft­li­che Exis­tenz vie­ler Ver­lage. Ihre Pro­dukte machen den Bahn­hofs­buch­han­del nicht nur unver­wech­sel­bar, sie sind auch auf die deutsch­land­weit rund 480 Ver­kaufs­stel­len ange­wie­sen. Den Ver­la­gen stellt der Bahn­hofs­buch­han­del min­des­tens 70 Pro­zent sei­ner Ange­bots­flä­che für Presse und Buch zur Ver­fü­gung. Da jedem ver­käuf­li­chen Pres­se­ti­tel ein freier Markt­zu­gang gewährt wird, haben große Bahn­hofs­buch­hand­lun­gen teil­weise mehr als 7.000 Pres­se­ti­tel im Sor­ti­ment. Keine andere Geschäfts­art bie­tet eine so große Auswahl.

Hohe Mie­ten, trotz mas­si­ver Umsatzeinbrüche

Vor der Pan­de­mie kauf­ten Mil­lio­nen Kun­den wöchent­lich in den deut­schen Bahn­hofs- und Flug­ha­fen­buch­hand­lun­gen ein. Das ver­setzte die Bran­che in die Lage, die in Hoch­fre­quenz­la­gen gefor­der­ten hohen Mie­ten zu zah­len. Seit März 2020 sind die Pas­sa­gier­fre­quen­zen an Gleis und Gate jedoch als Folge von Rei­se­be­schrän­kun­gen und ver­än­der­ten Arbeits- und Mobi­li­täts­ge­wohn­hei­ten mas­siv ein­ge­bro­chen: An Bahn­hö­fen liegt der Umsatz der Presse- und Buch­spe­zia­lis­ten um bis zu 70 Pro­zent unter Vor­jahr, an Flug­hä­fen sogar um 90 Prozent.

Die Mie­ten des Bahn­hofs­buch­han­dels rich­ten sich nor­ma­ler­weise nach dem erziel­ten Umsatz (Umsatz­miete). Die Miet­ver­ein­ba­run­gen garan­tie­ren den Ver­mie­tern zusätz­lich eine hohe Min­dest­miete, in der Regel 90 Pro­zent der zu erwar­ten­den Umsatz­miete. Wegen der Umsatz­aus­fälle im Zuge der Corona-Pan­de­mie liegt die zu zah­lende Min­dest­miete in vie­len Fäl­len bereits beim drei bis fünf­fa­chen des Betra­ges, der bei einer rei­nen Umsatz­miete zu zah­len wäre. Zugleich ist schon jetzt klar, dass es auch auf lange Sicht nicht mög­lich sein wird, den ent­gan­ge­nen Umsatz­ver­lust nach­träg­lich zu realisieren.

Mit den Flug­hä­fen konn­ten die Unter­neh­men des Bahn­hofs­buch­han­dels größ­ten­teils Erleich­te­run­gen wie lang­fris­tige Aus­set­zun­gen der Min­dest­mie­ten und Anpas­sun­gen der Umsatz­mie­ten ver­ein­ba­ren. Mit dem wich­tigs­ten Ver­mie­ter des Bahn­hofs­buch­han­dels, der der DB Sta­tion & Ser­vice AG, einer Toch­ter Deut­schen Bahn AG, gibt es für die lau­fende 2. Welle der Corona-Pan­de­mie aber noch keine ver­gleich­ba­ren Zuge­ständ­nisse. Zwar hat das Unter­neh­men bereits eine grund­sätz­li­che Gesprächs­be­reit­schaft und kon­struk­tive Lösun­gen für das Jahr 2021 in Aus­sicht gestellt, aber dem Bahn­hofs­buch­han­del läuft die Zeit davon, wie der VDBB-Vor­sit­zende Tors­ten Löff­ler betont: „Unsere Bran­che braucht noch im vier­ten Quar­tal 2020 trag­fä­hige und nach­hal­tige Lösungen.“

„Der Bahn­hofs­buch­han­del ist sys­tem­re­le­vant für die Ver­lags­bran­che und die Lese­kul­tur in Deutsch­land“, so Löff­ler wei­ter. Selbst unter Corona-Bedin­gun­gen tue die Bran­che alles, um die­ser Ver­ant­wor­tung gerecht zu wer­den. Doch der VDBB-Vor­sit­zende warnt auch: „Ohne eine kurz­fris­tige und dau­er­hafte Anpas­sung der Miet­mo­da­li­tä­ten an Ver­kehrs­stand­or­ten an die neue Rea­li­tät – wäh­rend und nach Covid19 – ohne eine faire Risi­ko­ver­tei­lung zwi­schen Ver­mie­tern und Mie­tern, wird der Bahn­hofs­buch­han­del wie wir ihn ken­nen, als Schutz­raum der Pres­se­viel­falt und der freien Mei­nungs­bil­dung, schon bald Geschichte sein.“

Über den Ver­band Deut­scher Bahnhofsbuchhändler

Der Ver­band Deut­scher Bahnhofs­buchhändler wurde 1905 gegrün­det. Heute gehö­ren dem Ver­band 15 Fir­men­mit­glie­der an. Mit rund 480 Ver­kaufs­stel­len an 310 Stand­or­ten ste­hen die VDBB-Mit­glie­der für mehr als 90 Pro­zent des gesam­ten Bahn­hofs- und Flug­ha­fen­buch­han­dels in Deutsch­land. In der Bran­che sind ca. 3.200 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter beschäf­tigt. Im Geschäfts­jahr 2019 hat der Bahn­hofs­buch­han­del einen Pres­se­um­satz von ca. 195 Mio. Euro erzielt. Auf das Buch­sor­ti­ment ent­fie­len wei­tere 60 Mio. Euro Umsatz.